Liebe leser, liebe freunde,
ein aufruf in eigener sache: ich würde mich freuen, wenn ihr euch ab und zu mit eins, zwei sätzen zu den einzelnen blogbeiträgen äußert. Welche gefallen euch, welche nicht? Wenn nicht, was stört? Wenn euch etwas gefällt, was und warum? Auch ich möchte mich bezüglich des schreibens verbessern, bin dabei aber auf eure hilfe, also rückmeldungen, angewiesen. Auch ein geäußertes nicht näher beschreibbares difuses gefühl der ab- und zuneigung hinsichlich eines textes hilft mir schon weiter. Spart nicht mit kritik. Lobhudeleien sind schön, aber kritische äußerungen (die sog. Konstruktive kritik) helfen mir am meisten. schon einmal vielen dank. Ich zähl auf euch.
Euer bratapfel
bratapfel-süß-sauer - 5. Nov, 17:47
ich sitze mal wieder bei fielmann und kann nichts sehen. Sie haben mir die brille weggenommen. Ohne bin ich annähernd blind. Dann haben sie mich an einen kleinen tisch gesetzt und nun soll ich warten. Darauf, dass sie mir die brille wiedergeben. Das könne aber dauern, wurde mir gesagt. Durchaus bis zu einer stunde. Je nachdem, wie viel in der werkstatt zu tun sei. Ich darf aber lesen. Und kann dies als kurzsichtiger mensch auch ohne brille. Zur erklärung: kurzsichtige menschen können in der ferne schlecht und in der unmittelbaren nähe gut, weitsichtige in der nähe schlecht und in der ferne gut sehen. Das habe ich meinen unbebrillten eltern schon gefühlte einhundert mal erklärt. Sie können es sich aber einfach nicht merken und sind immer ganz erstaunt, wenn sie mich ohne brille bücher lesen sehen.
Ob ich auch schreiben darf, habe ich die verkäuferin (optikerin?) nicht gefragt. Ich mache es aber einfach. Es ist gemütlich. Hell, warm und in hinteren bereich des geschäfts auch relativ ruhig. Den herbstlichen witterungseinflüssen noch einmal entkommen. Draußen ist es grau und regnerisch. Der dicke teppich dämpft. Und ich sitze mit dem rücken zur kasse und sehe die zackigen , routinierten bewegungen der angestellten nicht. Vor mir die hell ausgeleuchteten brillengestelle. Guter innenraumeinrichter, denke ich. Und überlege schon, was ich als nächstes beschreiben oder bewundern soll (bspw. Die stets freundliche bedienung), ohne dass der leser auf die idee kommen könnte, ich hätte heimlich mit fielmann einen werbevertrag geschlossen, aber da kommt schon eine angestellte mit meiner brille, die auch leider sofort sitzt. Das passiert bei mir selten, dass etwas sofort sitzt. Bei anzuprobierenden hosen so gut wie nie. Naja, ich schweife ab. Und so muss ich die gemütliche fielmannfiliale schon wieder verlassen, bevor ich mich richtig eingesessen habe. Ich hatte mich doch auf einen längeren aufenthalt eingestellt, stehe also unschlüssig vor der tür im regen und gehe dann in ein cafe mit überhöhten preisen und schreibe diese geschichte bei einer tasse kaffee zu ende.
bratapfel-süß-sauer - 5. Nov, 17:47
einer dieser verregneten, grauen, langweiligen und nicht enden wollenden samstagnachmittage. an denen man sich, also ich mich, nur auf das abendliche besäufnis freue und damit am liebsten schon um vier uhr anffinge, es aber nicht tue, weil ich dann schon besoffen wäre, bevor ich die anderen in der kneipe überhaupt erst getroffen habe. und so sitze ich rauchend auf dem balkon, schaue dem regen zu und warte. der regen verwandelt die gefallenen blätter in eine glitschige masse, vor der ich mich heute nacht in acht werde nehmen müssen. ein irish coffee wäre jetzt nett. komische mischung aus sahne, kaffee und 4cl irish whisky. auf dem seitenarm der weser, auf welchen ich hinunterschaue, paddelt ein blesshuhn vor sich hin. es trägt schwarz und ihm scheint der regen auch nicht zu gefallen. es ist kalt. kalt und feucht. diese verdammte feuchte kälte, die in die kleidung kriecht, egal wie dick man angezogen ist, und die welt draußen so ungemütlich macht. meine freundin ist bei einer anderen zum kaffee eingeladen. kuchen, kaffee, klatsch und tratsch. zum glück mußte ich nicht mit. abends treffe ich gern bekannte. tagsüber können sie mir meist gestohlen bleiben. mich hat eine generelle lustlosigkeit in ihren fängen und ich bekämpfe sie, so gut es geht , mit coffeein und nikotin; heute abend dann mit mehreren bieren. die grenzen zwischen langeweile, antriebslosigkeit und depressiven verstimmungen sind bei mir fließend. die sportschau um 18.30 uhr ist ein kleiner lichtblick. das blesshuhn wird wohl auch nicht fündig und lässt sich treiben. "scheiß regen", denke ich, schnippe die kippe in richtung des blesshuhns und lege mich wieder aufs sofa.
bratapfel-süß-sauer - 5. Nov, 17:46
Vorwort, einleitung, entschuldigung
Liebe blogleser (bisher sind es ja noch nicht so viele), liebe freunde (spezieller gruß an meine erstleserin, deren positives feedback mich darin bestärkt hat, weiter zu bloggen): der folgende text besteht aus einer partiellen charakteriserung und drei geschichten, die irgendwie damit in zusammenhang stehen. Nach erneutem lesen des getippten textes bin ich unsicher, ob ich rübergebracht habe, worauf es mir ankam. Irgendwie diffus, nicht ganz schlüssig, nicht erschöpfend, wahr-los. Ich hätte den text also weiter überarbeiten können, ihn teilen oder einzelne teile als eigene story ausbreiten können (z.B. hollister-shop, bio-gemüse-betrüger). Da es sich hier aber um einen blog handelt, welcher meiner meinung nach auch mittelmäßiges oder unfertiges enthalten darf und dieser sich durch ständiges erscheinen neuer beträge auszeichnen soll, lasse ich diesen text jetzt so, wie er ist. Ich kann nicht an einem text mehrere tage oder wochen feilen bzw. will dies nicht (netter versuch, die eigene faulheit oder unfähigkeit zu verschleiern, oder?). ich habe eh schon ein schlechtes gewissen, dass ich nur alle paar tage und nicht täglich schreibe. Ich weiß auch, dass eine solche entschuldigung, den text nicht besser macht: entweder ist er gut oder eben nicht. Falls nicht, helfen weder einleitung noch erklärungen. Die von mir verlangte mindestanforderung an einen veröffentlichten text ist, dass er wenigstens unterhaltsam ist und dieses kriterium ist meiner meinung nach erfüllt.
der weltverbesserer
einer meiner freunde ist ein kleiner weltverbesserer. Ein kleiner, weil er mit kleinen alltäglichen schritten versucht, die welt zu verbessern, also nicht mit revolution oder abschaffung des systems. Wie mittlerweile manche junge Pärchen kaufen er und seine freundin am liebsten in bioläden, auf wochenmärkten direkt vom bauern ein oder achten in supermärkten auf fair-trade- und nachhaltigkeitssiegel. Das verfolgte ziel: die welt als verbraucher mit kleinen schritten besser machen.
Weiter lehnt er jede form des konsumwahns und schnäppchenjagd strikt ab; kauft bspw. Möbel oder bücher am liebsten gebraucht und die nötigsten klamotten überwiegend in teuren outdoorläden und so gut wie nie dinge, die gerade im angebot sind. Große ketten werden gemieden, als sei allein der umstand, dass es filialen einer kette in mehreren städten gibt, an sich schon verwerflich. Etwas überspitzt könnte man sagen (, ohne dass er dieser these so pauschal zustimmen würde): kleine, unabhängige geschäfte sind gut, die großen ketten böse.
In mancher hinsicht stimme ich ihm zu: auch ich brauche keine jeanshosen von kik für 8 € und billigfleisch aus massentierhaltungen kann auch ich nicht ohne schlechtes gewissen verzehren. Ferner geht auch mir der marken- und konsumwahn oft zu weit: so hatten mein freund und ich in der kölner innenstadt ein hierzu passendes erlebnis: wir gingen an einem hollister-shop vorbei, vor dem sich eine lange schlange bis auf die straße gebildet hatte. Vorweg sollte man wissen, dass hollister eine zur zeit sehr angesagte edelmarke ist, bei welcher die t-shirts meiner meinung nach so spannend aussehen wie c & a-kollektionen aus den 90ern. Die exclusivität dieser us-amerikanischen marke wird wohl noch dadurch erhöht, dass es in deutschland nur zwei geschäfte von hollister gibt: nämlich eines in bonn und das andere in köln. Neugierig geworden, was diesen menschenandrang verursachte, fragte mein freund am ende der schlange, was es denn hier besonderes gäbe. Mehrere köpfe drehten sich um und wir guckten in verdutzte gesichter. Die verwunderund wich dann schnell arroganz und überheblichkeit. Ein junges mädchen ließ sich herab und sagte: „was? Besonderes? Das ist hollister! Davon gibt`s nur zwei läden in deutschland!“ ein „ja, und?“ konnte sich mein freund nicht verkneifen und wir gingen kopfschüttelnd weiter. Erinnert mich ein bißchen an die ed-hardy-klamotten, die nach dem vergangenen hype den ihr gebührenden platz zwischen den anderen billigmarken im real-markt gefunden haben.
Naja. Diesbezüglich bin ich mit meinem freund einer meinung. Ich finde es auch bewunderswert, verantwortungsbewusst einzukaufen: es macht mehr arbeit, ist teurer und erfordert der eigenen gier (mehr, mehr, mehr) zu wiederstehen. Je mehr verbraucher so konsumieren, umso wirkungsvoller können ausbeutung, verantwortungslosigkeit und gier wohl bekämpft werden.
So weit, so gut. Manchmal geht mir das verhalten meines freundes aber auch zu weit: so liefen wir bspw. einmal auf der suche nach einem becher kaffee eine halbe stunde durch die kölner innenstadt, da es nach ansicht meines freundes in ganz köln nur zwei Cafés gibt, die genießbaren, fair gehandelten kaffee herstellen. Mit diesem kaffeewahn hat er sich von einem früheren wg-mitbewohner anstecken lassen, der nur ganze bohnen einer bestimmten sorte kaufte und dann in wochenlanger experimentierwut die exakt richtige korn- oder mahlgröße, die richtige temperatur und zeit der aufbrühphase ermittelte, bei welcher sich das aroma optimal entfalten sollte. Nach abschluss der testreihen ging dann dieser mitbewohner so weit, dass er überhaupt keinen anderen als den eigenen kaffee mehr trank. Solche sachen sind mir zu extrem. Ich trinke auch gern guten kaffee, gebe mich aber schon mit dem von mc donalds oder burger king zufrieden.
Eine andere geschichte, die hierzu irgendwie passt: an einem abend saßen mein freund und seine freundin bei einbruch der dunkelheit auf einer bank mit blick auf den rhein, als ein alternativ aussehender typ, um die fünfzig, mit fahrrad und anhänger vor ihnen hielt. Er habe hier um die ecke einen schrebergarten, in welchem er gemüse anbaue, aber selbst nicht alles verbrauchen könne. Ob sie nicht etwas kaufen wollten? Garantiert bio, versicherte er. Mein freund und seine freundin sahen sich das sehr reife gemüse im fahrradanhänger an und kauften dann für die geplante nudelsauce des nächsten tages mehrere tomaten und eine stange Porree. Der bio-gemüse-anbauer verabschiedete sich dann sehr nett und zog weiter, um noch mehr bio-gemüse zu verkaufen. Auf dem weg nach hause wunderte sich mein freund dann, was plötzlich so streng roch und nach mehrmaligem hinriechen stellten er und seine freundin fest, dass der porree an einer seite sehr kräftig nach fisch roch. Auf mir nicht bekannte weise fanden sie dann heraus, dass der bio-bauer weggeworfenes gemüse und obst aus den mülltonnen der supermärkte fischte und diese dann als „bioprodukte“ „aus eigenem garten“ weiterverkaufte. Dieses sog. „containern“, also das herausholen von noch eßbaren lebensmitteln aus den supermarktmülltonnen, ist bei bestimmten leuten als protest gegen die wegwerf-gesellschaft ziemlich angesagt. Ich habe sogar mal eine doku im fernsehen darüber gesehen, wobei die dort gezeigten akteure die gefundenen nahrungsmittel wenigstens selbst verzerrten. Als ich mich dann beim telefongespräch darüber aufregen wollte, was dieser typ doch für ein betrüger und wichser sei, den leuten vergammeltes gemüse anzudrehen, nahm mein freund diesen in schutz und erklärte das „containern“ an sich ja nicht schlimm sei. An dieser stelle geht mir die toleranz und das gutfindenwollen zu weit. Ich bin auch dagegen, dass noch verzehrbare lebensmittel weggeworfenen werden. Zum glück wird ja heute diese ware von den supermärkten wohl überwiegend an die sog. tafeln verteilt. Mein freund hat das erstandene gemüse dann auch weggeworfen, mir gegenüber aber betont, dass selbst bei einem verzehr ja auch nichts passiert wäre. Dazu kann ich nur sagen: ich möchte keine nahrungsmittel essen, die vorher in schimmligen, stinkigen mülltonnen gelegen haben. Wegwerf-gesellschaft hin oder her – so etwas möchte ich nicht essen und es auch nicht gutheißen.
Ob diese zuletzt beschriebene geschichte jetzt wirklich zum thema passt oder nicht, weiß ich nicht. Ich wollte sie aber auf jeden fall mal loswerden.
Fazit: einerseits bewundere ich meinen freund für seine konsequente haltung und das stete bemühen, die welt mit kleinen, alltäglichen schritten etwas besser zu machen. Sie führt mir meine eigene trägheit und mein fehlendes verantwortungsbewusstsein immer wieder vor augen. Andererseits kann man sich das leben auch unnötig schwer machen, wenn man zu perfektionistisch ist oder abstoßendes wie das „containern“ gut finden will.
Also? Wie weit man selbst zu gehen bereit ist, entscheidet man am ende doch wieder selber.
Und die Moral von der Geschicht`? „Containern“ gut zu finden, lohnt sich nicht!
bratapfel-süß-sauer - 26. Okt, 11:38
Der schreibtisch ist voll mit lauter müll, das zimmer total unaufgeräumt, überall liegen klamotten, zeitschriften, bücher, dreckiges geschirr. Es riecht nach billigen zigarren und ungewaschener wäsche. Vielleicht ist es auch der teppich, der meistens einen schluck kaffee abbekommt. Ich mache die tasse immer zu voll. In der küche klebt man auf dem boden fest und es gibt keine sauberen gläser oder teller mehr. Das spülbecken ist auch voll. Keiner kümmert sich drum. Im flur gibt es noch einen durchgang, breit genung um alle zimmer zu erreichen – es sind ja nur drei – aber an den wänden links und rechts stapeln sich kartons, jacken (wann hab ich die eigentlich zum letzten mal angehabt) und seit einer woche auch trockene wäsche auf einem wäscheständer. Im bad lässt sich noch alles benutzen, aber es könnte mal wieder geputzt werden. Die bremsstreifen in der toilette mache ich immer sofort weg. Ein bißchen restanstand. Als ich noch in wg`s gewohnt habe, waren es in meinen augen immer die anderen, die nicht geputzt haben oder unordentlich waren. Seit ich alleine wohne, bin ich mir da nicht mehr so sicher.
bratapfel-süß-sauer - 17. Okt, 19:28
ich habe zu den eltern meiner freundin eigentlich ein gutes verhältnis. Sie mögen mich, ich mag sie. Sie können allerdings ebensowenig wie meine eltern verstehen, warum ich nicht richtig arbeite, sondern lieber bücher lese und kleine geschichten schreibe. Aber das soll hier nicht weiter thematisiert werden. Es soll um die letzte Geburtstagsfeier meiner potentiellen schwiegermutter gehen. Alles fing, wie üblich, ganz harmlos an. Meine freundin und ich waren bereits einen tag früher angereist, hatten den vormittag irgendwie vertrödelt und warteten am nachmittag nun auf den rest der festgäste. Ich hatte mir diesmal vorgenommen, endlich auch mal etwas alkoholisches zu trinken. Bisher war ich bei den gegnerischen familienfeiern immer nüchtern geblieben, um die übersicht zu behalten und nicht zu viel unsinn zu reden. Ich vertrete nämlich nüchtern manchmal schon gewagte thesen und muss mich auch sonst zügeln, um den klugscheißer nicht zu sehr rauszulassen. Auch in ihrer familie gibt es ein gewisses statusdenken. Man hat respekt vor akademikern, weil die wohl mehr wissen als nicht-studierte, und geradezu ehrfurcht vor medizinern und juristen. Naja. Wie bereits erwähnt hatte ich mir vorgenommen, diesmal nicht nüchtern zu bleiben und so trank ich bereits um 16 uhr mit dem jüngsten bruder meiner freundin das erste bier. Dabei sahen wir in den fernseher. Ihr bruder ist ein netter kleiner angeber und aufschneider, der die freundinnen auch mit ende zwanzig noch so oft wechselt, wie ich es zu single-zeiten gerne hinbekommen hätte. Die zeit, ich und ihr bruder dösten also so vor uns hin, tranken bier und sahen fern. So gegen halb sechs trudelten nach und nach die nächsten verwandten ein. die vier bier hatten mir bereits ein dümmliches grinsen ins gesicht gezaubert und ich war froh, als um 18 uhr das buffet eröffnet wurde. Wir kinder saßen am kindertisch, so dass zunächst keine weiteren gefahren drohten. Der jüngste bruder der mutter, onkel r, auch an den kindertisch verbannt, war ausnahmsweise gut drauf und hatte nicht zu tief ins medikamentenschränkchen gegriffen, so dass eine normale unterhaltung noch möglich war. Dieser wohl ewige single mit wohnsitz bei mama (also der großmutter) ist durchaus sympathisch, da er ähnliche politische ansichten vertritt wie ich (bspw. Soziale gerechtigkeit, vermögenssteuer usw.). gleich und gleich gesellt sich eben gern. Leider ist er etwas überängstlich und erzählte, dass er gerade erst seinen internetanschluss gekündigt habe, da er die horrormeldungen aus dem netz nicht mehr ertrage. Was soll man dazu sagen?
Durch das viele Essen verschwand bei mir dann kurzzeitig das angetrunkene gefühl des angetrunkenseins und so ging ich in den keller, um neues bier zu holen. Die gespräche dümpelten weiter so vor sich hin und nach und nach wurden die esstische verlassen, um sich auf sessel und sofas zu flegeln. Zum essen hatte es für die älteren herrschaften einen schweren rotwein gegeben und die truppe der zukünftigen gehhilfe-abhängigen taute langsam auf. Der eine oder andere traute sich gar schon den einen oder anderen kleinen witz. Den angebotenen Ramazzotti nahm ich natürlich dankend an und danach gleich noch einen, weil der erste so lecker geschmeckt hatte.
Eine der tanten gab wie immer vor meiner freundin mit ihren kindern an: beruflich laufe es bei allen so toll. Ferner sei die raumaufteilung im neubau ihres ältesten genial. Das wort genial wiederholte sie ungefahr zehn mal. Sie ist einer dieser menschen, bei denen immer alles super, ganz toll oder eben genial ist. Über die essstörungen, drogenprobleme oder abgebrochene ausbildungen ihrer blagen verliert sie kein wort. Hätte mich aber mehr interessiert.
Auf der terrasse männergespräche: natürlich ging es um die große politik: Griechenlandkrise, bankenkrise, staatsverschuldung. Über persönliche krisen reden männer ja nicht gern. Ich saß unbeteiligt wirkend daneben und hörte zu. Mich lässt das alles ziemlich kalt: ich zahle kaum steuern und sehe meinen wohlstand kaum als gefährdet an. Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht mitreden. Ich gucke kaum fernsehen, nicht mal die tagesschau, und lese keine tageszeitung. Bin also hinsichtlich der besprochenen themen wirklich uninformiert. Schließlich waren zwei der onkel unterschiedlicher meinung und nun sollte ich als akademiker, ja als jurist, abschließend über den streit urteilen und somit einem recht geben. Alle guckten mich erwartungsvoll an und ich stammelte irgendwas von: „das kann man so oder so sehen …. selbst finanzexperten sind sich da nicht einig usw. und so fort.“ ich redete weiter solchen unsinn und mich um kopf und kragen, wurde rot und fing an zu schwitzen. Ich meinte ein stirnrunzeln auf der stirn des vaters zu sehen, gefolgt oder einhergehend mit dem gedanken: ist dieser dünnbrettbohrer wohl der richtige für meine tochter? Souveränes auftreten trotz völliger ahnungslosigkeit sieht anders aus. So schlich ich zurück ins haus und schnappte mir das nächste bier. Eigentlich bräuchte ich jetzt was stärkeres, dachte ich. In der hausbar fand ich eine flasche gordons gin und mixte mir einen kräftigen gin-tonic. Mit dem glas in der hand kuschelte ich mich auf dem sofa an meine freundin und beschloss ab jetzt den mund zu halten. Nach dem zweiten gin-tonic hatte ich das aber wohl schon wieder vergessen und erzählte, nachdem jemand mit einem guten witz den anfang gemacht hat, einen schlechten witz nach dem anderen. es wurde höflich, also nur mäßig gelacht. Dies merkte ich leider noch. Also drehte ich, aus angst vor einer weiteren blamage, richtig auf, legte einen zahn zu, hängte mich mächtig rein: meine witze wurden zunehmend obszöner: ich redete von Italienern mit kurzen beinen und langen schwänzen, von rasierten blondinen und was weiß ich sonst noch schmutzigem. Trotzdem blieb der erfolg aus. Hatte ich mein publikum zur raserei und atemnot durch lachanfälle bringen wollen,erntete ich nur mildes lächeln oder müdes grinsen. Die amüsieren sich mehr über mich als über meine witze, dachte ich. Umgehend begann ich wieder mich zu schämen, hatte schweißperlen auf der stirn, konnte aber nicht aufhören; da noch ein funken hoffnung in mir glomm, mit dem nächsten guten witz die situation retten zu können. Schließlich legte mir meine freundin die hand auf den oberschenkel und sagte: „du gehst jetzt mal besser ins bett.“ ich nickte beschämt, wünschte allen eine gute nacht und schlich aus dem wohnzimmer. Betrunken wie ich war, fiel ich schnell in einen unruhigen schlaf. Als ich wieder wach wurde, fühlt sich meine boxershorts am hintern komisch an, irgendwie weich und maschig. Ich dachte nur: „oh mein gott“ - nein, stimmt nicht. Die zuletzt beschriebene szene stammt aus dem film „trainspotting“, in welchem sick boy nach einer durchzechten nacht in dieser lage bei den eltern der freundin aufwacht. So weit ist es bei mir nicht gegangen. Am nächsten morgen saßen wir zusammen beim frühstück und alles war wie sonst auch. Vielleicht dachten ihre eltern ja auch: schau an, der oft etwas steife juristenfreund unserer tochter taut also auch auf, wenn er einen sitzen hat.
Abschließend kann ich sagen, dass ihre eltern mich immer noch mögen; seit dieser familienfeier vielleicht sogar noch ein bißchen mehr.
bratapfel-süß-sauer - 17. Okt, 01:11
Ich habe vorurteile. Gegenüber allen und jedem. Ich mag keine ossis, keine bayern, keine schwaben. Polen halte ich für dreiste diebe, russen für säufer und gewalttäter, türken für sozialschmarotzer, italiener für machos und mafiosi, franzosen für verfressen und notgeil, schweizer für selbstgerechte klugscheißer. Hartz-IV-Empfänger sind faule schweine und an ihrer lage selbst schuld, fdp-wähler ungerechtigkeitsfördernde wichser, fußballfans grölende hohlhupen, schwarze sind drogendealer, vietnamesen spieler und kettenraucher, chinesen langeweiler, amerikaner fett und dumm usw.
Leider lassen sich die vorurteile nur selten aufrecht erhalten: mein lieblingsautor clemens meyer ist bekennender ossi. Die polen, die ich kenne, sind sehr fleißig und ehrlich. Mein lieblingsrapper kool savas ist türke und hat hiphop weiter vorangebracht als alle deutschen rapper. Wladimir kaminer schreibt sehr schöne geschichten, auch noch auf deutsch, und ich kann kein wort russisch. Italiener sind machos, haben aber scharfe frauen. Frank goosen schreibt derart lustige fußballgeschichten, dass mir manchmal vor lachen die tränen kommen. Samy deluxe hat über die schwierigkeiten, in deutschland ein schwarzer zu sein, schon alles gesagt. Und so werden all meine schönen vorurteile durch einzelne wertvolle menschen widerlegt. muss ich umdenken? nein, meine vorurteile beziehen sich ja auch nur auf ganze gruppen und nicht auf den einzelnen. Die einzelnen, die aufgezählten und noch viele weitere, sind ja bestimmt alle nur ausnahmen.
bratapfel-süß-sauer - 12. Okt, 10:50
ich brauche kein auto, keine tolle wohnung, keine markenklamotten, keine jura-kaffeemaschine und auch keinen flatscreen mit 120cm-bildschirmdiagonale. Ich brauche stift und papier, eine tasse kaffee, ein gutes buch, einen laptop mit internetanschluss, irgendein handy, meine freundin und meine freunde, und etwas geld, um ein paar bier im kühlschrank zu haben und um ab und zu in einer kneipe zwei, drei trinken zu können. Das war´s schon. Ach so: und bequeme schuhe.
All das lässt sich mit dem hartz-IV-satz bestreiten. Also hört auf mich zu gängeln und nehmt mir nicht mein glück. Für euer glück seid ihr selbst verantwortlich. Was also braucht ihr wirklich?
bratapfel-süß-sauer - 12. Okt, 10:49
ich liege mit meiner matraze auf dem Boden vor dem Fenster (RAF-Style), rauche und grüble so in der gegend herum.
Die welt ist voller Symbole, kommt mir in den Sinn. Wenn sie dir begegnen, musst du sie auch sehn.
Gestern war ich nach ein paar Bieren allein vor dem Fernseher noch in der Stadt. Mich hatte, wahrscheinlich befeuert durch den Alkohol, eine merkwürdige unruhe gepackt, als müsste ich noch was erleben und so ging ich in die Osnabrücker Innenstadt. Dort angekommen konnte ich mich nicht entscheiden, in welche kneipe ich gehen sollte, hatte keinen großen Durst nach weiterem Bier und setzte mich wegen des milden wetters auf die holzbänke vor mcdonalds und trank einen kaffee. Während ich also so dasaß und die stimmung des Sommerabends genoß, überlegte ich, ob ich auf grund der fortgeschrittenen Abendstunde noch in eine Disco gehen sollte (ich gehe eher in kneipen mit tanzfläche als in große hochglanzdiscos). Aber genauso wie der Akku meines Handys leer war, war auch mein Akku leer. Und so ging ich wieder nach Hause, legte mich ins bett, konnte wegen des kaffees nicht gleich einschlafen, hatte aber das gute gefühl nichts verpasst zu haben.
bratapfel-süß-sauer - 6. Okt, 22:30
auf der suche nach der seele einer fremden stadt: Ich bin bei meinem bruder zu besuch in bonn und frage mich, ob und wie man eine stadt in nur wenigen tagen kennenlernen kann. Was ist eine stadt? Was macht eine stadt aus? Was prägt, charakterisiert sie, macht sie sehenswert, liebenswert, besonders?
Mir kommt in den Sinn: die stadt als lebender, pulsierender Organismus, durchzogen von straßen und Gassen wie adern (habe ich diesen vergleich schon mal irgendwo gelesen?). menschen als rote und weiße blutkörperchen und was sonst noch so durch die blutgefäße jagt.
Was macht eine stadt aus? Die kneipen, die geschäfte, die menschen?
Der vergleich mit dem lebenden organismus gefällt mir. Man kann einen teil abtrennen; der charakter der stadt geht nicht verloren; der rest lebt weiter. Eine stadt setzt sich aus unmengen kleiner teile zusammen wie ein menschlicher körper; als blutkörperchen lernt man ihn am besten kennen, wenn man sich einfach treiben lässt; über kurz oder lang wird man schon überall mal vorbeikommen; vielleicht lernt man ja auch nur so eine fremde stadt kennen. Also lasse ich mich treiben ...
bratapfel-süß-sauer - 5. Okt, 12:08
ich sitze allein im mäßig gefüllten Moskaubad – ein nur fünf Minuten zu fuss von meiner wohnung entferntes Freibad – , das mit Moskau augenscheinlich so viel zu tun hat wie j.b. Kerner mit guter unterhaltung. Die sonne scheint, mir ist warm, aber zum glück oder deswegen oder auch einfach nur so habe ich bier mit. Noch ist es halbwegs kalt. Kann mich aber nicht entscheiden, ob ich eins aufmachen soll oder nicht. Egal ob man viel oder nur mittelmäßig oft trinkt, irgendwie denkt man immer, es sei zu viel und damit der gesundheit abträglich.
Neben mir ist gerade ein russischer bodybuilder aufgestanden. Kommt der vielleicht aus moskau? Gibt es doch versteckte hinweise und geheime verbindungen zu dieser stadt? Sah er liegend noch ganz sportlich und knackig aus, ist er im stehen nur noch parodie. Abgespreizte arme, wie schwimmflügel, die sich dem körper nicht mehr annähern wollen. Eine zwar breite, aber derart geschwollene brust - ästhetisch finde ich es nicht. So stelle ich mir gemästete hühner in der legebatterie vor. Hab mal gelesen, dass bei manchen die brust derart überzüchtet ist, dass die armen dinger ihr gleichgewicht nicht mehr halten können und nach vorne überfallen. Könnte ihm wohl auch passieren. Er macht es freiwillig, die hühner nicht. Bodybuilding ist also rein optisch auch keine lösung. Manche frauen sind hübsch, einige nicht. Manche halten den grund für ihre versaute figur auf den armen. Diese hitze. Und so denke ich gehässig: Die geburt eines kindes wird als persönliche mondlandung zelebriert und man ist entsprechend stolz drauf. Was früher selbstverständlich war und wonach kein hahn gekräht hat, dafür will man heute einen orden. Mir ist warm. Wie unterschiedlich die leute trotz fast identischer kleidung bzw. unbekleidung hier doch aussehen. Manche auch in fortgeschrittenem alter noch eine ganz appetitliche erscheinung und andere schon mit noch nicht mal zwanzig für den rest des lebens völlig versaut. Die welt ist nicht gerecht. Nirgends wird das so deutlich wie im Freibad.
bratapfel-süß-sauer - 4. Okt, 13:23
ich sitze bei deutschlands wohl größter optikerkette und hoffe hier gleich ordentlich zu sparen. Oder noch besser, keinen pfenning dazu zu bezahlen. Nein, eigentlich will ich nur meine brille richten und eventuell eines der gläser austauschen lassen, welches seit meinem letzten umzug einen kleinen kratzer hat. Draußen haben wir ca. 25 Grad und trotz der vorhandenen Klimaanlage schwitze ich wie sau. Also sehr stark. Irgendwie scheint heute nicht mein tag zu sein. Ich bin unruhig, unsicher, fühle mich eklig und wäre am liebsten schon wieder zuhause. Während ich so sitzend an mir runterblicke, fällt mir neben meinem bauch, der meine hemdknöpfe auf spannung hält, auf, dass ich nicht alle hosenknöpfe zugeknöpft habe. Außerdem habe ich das weiße unterhemd falsch angezogen. Hinten ist vorne, vorne ist hinten. Jetzt steht es am hals viel zu weit aus meinem blau-weiß-gestreiften sommerhemd heraus. Im spiegel sehe ich meine verschwitzten, vom wind zerzausten haare und meinen (sonst so geliebten) struppigen bart. Wie ein penner komme ich mir vor. Dabei weiß ich gar nicht, ob die sich in situationen wie diesen, so fühlen, wie ich es jetzt tue. Schließlich kommt die optikerin mit meiner brille und meint, dass alles ausgetauscht werden müsse. Beim erhitzen sei das eine glas kaputt gegangen und das gestell habe mir ja wohl schon vor monaten ein anderer mitarbeiter ruiniert. Sie tippt im computer herum. Sie sehe gerade, dass mein (innig geliebtes) Markengestell nicht mehr lieferbar sei, so dass ich mir ein neues zum gleichen preis auf kosten der filiale aussuchen könne. Der austausch der gläser sei ja sowieso kostenlos. Und so suche ich mir ein neues gestell aus und kriege in einer woche eine neue brille ohne einen cent dazu zu bezahlen. Was für ein glück, denke ich, dass ich an diesem heißen sommertag die muße hatte, mir meine ziemlich ramponierte brille richten zu lassen.
bratapfel-süß-sauer - 4. Okt, 13:09
bonn, hier bin ich. Zu besuch. In der wohnung meines bruders, die er aber auch nur als zwischenmieter bewohnt. Heutzutage ist ja alles nur noch übergang, zwischen-..., auf probe, befristet usw..
der küchenstuhl ächzt unter meinem gewicht. Auf dem küchentisch steht eine mit leitungswasser gefüllte karaffe. Im wasser glänzen gesundheitssteine. Einer fürs innere gleichgewicht, einer fürs wohlfühlen an sich und einer zur verdauungsförderung. Habe ich mir von meinem bruder erklären lassen.Was es alles gibt. Er legt auf die steine keinen wert, seine freundin allerdings schon. Mir kommt in den sinn, dass derjenige wohl glück hat, der noch von natur aus normal kacken kann. Und so nehme ich mir die tageszeitung und verschwinde aufs stille örtchen. Auf fremden keramikschüsseln klappt es bei mir immer besonders gut.
bratapfel-süß-sauer - 4. Okt, 12:42
im spielcasino
gestern war ich mit drei freunden, also eher einem freund und 2 bekannten, im Spielcasino in bad oeynhausen. Alle hatten wir uns schick gemacht und ich fühlte mich, als ich im s-klasse mercedes um acht abgeholt wurde, leicht underdresst. Alle anderen im anzug und krawatte, ich nur hemd und sakko. Während der fahrt herrschte eine aufregung und vorfreude, wie ich sie bei meinen mitfahrern vorher noch nicht wahrgenommen habe. Mit großen ohren lauschte ich gespannt ihren ausführungen , ihren ausgklüngelten systemen und versuchte mitzubekommen, worauf es beim roulette ankam. Ich bin zuvor noch nie in einem casino gewesen und wollte nun auch mal sehen, wie es in einem solchen so zugeht. In meinem Kopf hatte ich bilder von großartigen tischen in historischen gebäuden wie bei james-bond-filmen, schöne menschen in abendgarderobe, gesittetes verhalten trotz zum zerreißen gespannter nerven usw.
die erste ernüchterung (trotz zu diesem zeitpunkt meinerseits völliger nüchternheit) erfolgte bereits am eingang. Dieser sah aus als beherberge er dahinter eine spielhalle mit automaten. Zum glück mußte ich nur einen euro eintritt zahlen und war nach überprüfung der personalien (gesperrte spieler usw.) drin. Der Saal war nicht unbedingt hässlich, immerhin ging man auf blauem teppich, es gab cocktailsessel und ledersofas, aber der erste eindruck war nicht einladend. Wir setzten uns erst mal an die bar und orderten bier. so wie sonst auch. Auch die theke hatte außer viel licht und spiegeln nichts besonderes an sich und so beschloss ich meine 60er oder 70er jahre-film-casino-bilder auszublenden und die leute zu beobachten. Ich hatte bereits zwei mal dostojewskis spieler gelesen und dachte daher, dass sich das roulette hervorragend für charakterstudien eignen würde. Nun waren die roulettetische, 5 oder 6, wobei jeweils nur 3 oder 4 in betrieb waren, zu weit von der theke entfernt als das ich die leute dort hätte beobachten können. Die leute, die an uns vorbeigingen oder neben uns saßen, machten auch nicht viel her. Die wenigsten trugen anzüge wie meine mitstreiter, frauen waren auch nur wenige dar oder als solche nicht zu erkennen, von schicker abendgarderobe ganz zu schweigen.
So kam ich zu dem schluss, dass dies hier wohl nicht meine welt ist. So blieb ich auch an der theke sitzen, als die anderen nach dem 3 oder vierten bier an die roulettetische wollten.ich trank weiter ein bier nach dem anderen und versuchte herauszubekommen, was mich an diesem laden, an den leuten, ja was mich überhaupt störte. Denn an der theke zu sitzen und bier zu trinken, habe ich selten – auch nicht in den schäbigsten kneipen – als unangenehm empfunden. Je länger ich die gesichter der anderen besucher betrachtete und mit jedem weiteren bier, das ich trank, wurde es mir dann irgendwie deutlicher: In dieser Spielhalle herrschte eine ganz unangenehme, angespannte antmosphäre. Ich meinte, die in der luft liegende unruhe, verbissenheit, den ärger und die anspannung körperlich spüren zu können. Kein erregtes flirren und gespanntes warten wie in der disco, wo viele hauptsächlich wegen der kontaktaufnahme zum anderen geschlecht hingehen. Gier, mißgunst, enttäuschung oder selbst bei siegen statt freude nur geringschätzung gegenüber den anderen dummen verlierern.
Je länger sich die kessel drehten, so schien mir, um so hitziger wurde das ganze. Männer und Frauen hörten auf, sich noch füreinander zu interessieren. Nein, nicht ganz, aber der Gewinn lockte mehr als schlanke Beine oder breite Schultern.
Auch der Alkohol spielte nur eine untergeordnete Rolle. Die richtigen zocker bleiben eigentlich den ganzen abend nüchtern. Ihre Droge ist das Spiel.
Beim Roulette schien jeder irgendein eigenes ausgeklügeltes System zu verfolgen, die meisten verlieren dann aber trotzdem.
An den Pokertischen galt es nicht nur zu gewinnen, sondern die anderen Dummköpfe vom Tisch zu nehmen, da man ja selber stets der bessere Pokerspieler ist.
Auch die Black-Jack-Tische sah ich mir an: Die Regeln sind ja einfach, aber ich weiß nicht, wie man sich dabei taktisch klug verhält. Einer meiner Bekannten wartete auf einen freiwerdenden Platz und erklärte mir: alle Spieler müssten zusammen gegen die Bank spielen, damit diese sich dann überreizt (?). Da das aber fast keiner täte, sondern alle nur gegen die andern Mitspieler zockten, würden die meisten auch verlieren. Kann ich nicht beurteilen, dachte ich. Ich kann nur sagen, dass an dem Tisch dort keiner glücklich aussah. Irgendwie schien keiner, der im casino anwesenden, einen schönen Freitagabend zu haben. Es fanden so gut wie keine Gespräche statt und ich hörte nur sehr selten jemanden lachen. Nur diese gespannte Atmosphäre.
Spät in der Nacht, keiner von uns hatte etwas gewonnen, torkelten wir aus dem Laden.
Ginge man mit zweihundert Euro in eine Kneipe, hätte man mit seinen Kumpels, die man sogar freihalten könnte, viel Spass. So aber gingen wir benommen, müde und unzufrieden zum Auto und hofften, schnell ins Bett zu kommen. Irgendwie schade.
bratapfel-süß-sauer - 4. Okt, 12:25
in der nachbarschaft gibt es eine grundschule, auf deren schulhof heute, am sonntag, eine deutsch-türkische schulfeier veranstaltet wird. Auf dem schulhof sind ein paar stände aufgebaut: ein paar haben irgendwas mit der türkei zu tun, die anderen mit der deutschen linken und der weltrevolution. Die türken gucken etwas ratlos auf die buchdeckel der stände der linken. An den türkischen ständen scheint die völkerverständigung auch nicht weiterzugehen. Es wirkt alles, wie ein großes missverständnis. Als einige musiker traditionelle türkische musik spielen, gerät etwas bewegung in die masse. Schließlich bilden mehrere türkische frauen eine reihe, indem sie sich bei ihren nachbarinnen einhaken und dazu die füße schwingen. Ein wohl nicht mehr ganz nüchterner linker, ca. mitte zwanzig und auch im hochsommer wollmütze tragend, hängt sich an die reihe der tanzenden türkinnen, indem auch er sich einhakt und versucht, entsprechend die füße zu schwingen, wird aber nicht verstanden. Offenbar handelt es sich um einen für die frauen reservierten tanz. Alle schämen sich: sowohl deutsche als auch türken. die einen mehr, die anderen weniger. Schließlich haben es sich einige zur aufgabe gemacht, das traditionelle rollenverständnis von mann und frau aufzubrechen.
In einer ecke stehen junge türkische halbstarke, die sich über die kleidung der linksalternativen amüsieren. Weiss denn niemand, dass in deutschland lebende türken überwiegend cdu wählen?, frage ich mich. Dieser zwar gut gemeinte, aber nicht gut gemachte Versuch der annäherung ist zum scheitern verurteilt. Hier begegnen sich menschen, deren wertvorstellungen und traditionen derart weit auseinandergehen, dass pazifisten und berufssoldaten mehr gemeinsamkeiten haben dürften.
Mir fällt auch keine lösung ein und so gehe ich zur nächsten dönerbude, esse einen lahmacun und trinke dazu ein deutsches bier. Und so wächst spätestens im darm zusammen, was zwar nicht unbedingt zusammengehört, was aber beides freude bereitet.
bratapfel-süß-sauer - 4. Okt, 11:39
Eben blut gespendet. Danach direkt in ein tabakgeschäft. Jetzt sitze ich rauchend und einen latte macciato trinkend in einem cafe und ärgere mich, dass sie den großen raucherraum in der mitte geteilt haben und ich nun in einem völlig zugerauchten aqaurium sitzen muss, um rauchen zu dürfen. Wie lange werde ich wohl noch vormittags so in cafes sitzen und unbeschwert rauchen können?
Beim Blutspenden kam mir folgender gedanke: Dürfen Nazis eigentlich blut spenden? Müßte der vom Spender auszufüllende fragebogen nicht auch fragen nach der politischen Gesinnung enthalten? Was passiert wohl, wenn ein linksautonomer, stark geschwächt durch OP und entsprechenden Blutverlust eine Blutkonserve eines rechtsradikalen erhält? Gibt es dann keine Unverträglichkeits- ja gar abstossungsreaktionen? Regelrechte abwehrschlachten in den adern?
Oder läuft selbst solch ein aufeinanderprallen der extreme ohne meßbare reaktionen ab? Oder erfährt die politische Gesinnung des Spendenempfängers einen leichten rechtsruck? Das wäre ja bei den meisten linksradikalen durchaus wünschenswert. Ebenso könne dann einem blut benötigendem rechten mittels spenderblut eines linksradikalen einen ordentlichen Linksruck verpasst werden. Zunächst müsste man das ja erst mal wissenschaftlich untersuchen. Sollte sich diese art der politischen Beeinflussung als erfolgreich herausstellen, dann könnte man ja immer waghalsiger werden und konkrete Versuche etwa derart machen, dass Andrea Nahles einen kräftigen halben Liter von Volker Bouffier erhält (und umgekehrt). Natürlich zwangsweise. Die ermächtigungsgrundlage hierzu müsste in einer nacht-und-nebel-aktion oder eben bei einem wm-spiel mit deutscher beiteiligung durch den Bundestag gepeitscht werden. Westerwelle täte bestimmt ein ordentlicher schuß gregor gysi gut und christian wulff wäre wohl bei rechtzeitiger blutübertragung von joachim Gauck oder wolfgang thierse zu retten gewesen. Diesem Experiment sind eigentlich keine grenzen gesetzt. Heidi klum könnte man durch alice schwarzers oder claudia roths blut beruhigen. Thomas gottschalk ließe sich vielleicht mit niels ruf oder martin semmelrogge ausbremsen. Allerdings gibt es auch menschen des öffentlichen lebens, bei denen wahrscheinlich das gesamt eigene blut gegen fremdes ausgetauscht werden müsste, damit sich auch nur minimal in deren politischen Ansichten etwas ändert bzw. deren nicht vorhandene politische Meinung gegen eine solche ersetzt wird. Hier fallen mir die stets beflaggten fahnenstangen angela merkel und sigmar gabriel ein. Gut bei herrn gabriel handelt es sich eher um ein weinfass, an welches man ein paar rotzfahnen gehängt hat. Mein vorschlag zu diesen beiden: kompletter blutaustausch zwischen horst seehofer und sigmar gabriel und zwischen angela merkel und christian ströbele. Einen christian ströbele als Merkel getarnte Bundeskanzlerin stelle ich mir eh sehr lustig vor und wird meinem Verständnis von der Ernsthaftigkeit der Parteienpolitik auch am ehesten gerecht.
bratapfel-süß-sauer - 3. Okt, 18:40