Donnerstag, 27. Dezember 2012

schick im RE

der erste satz. Ich würde ja gern mit dem zweiten beginnen, weiß aber nicht, wie das gehen soll. Egal. Ich sitze schick angezogen im RE nach münster und komme mir wichtig vor. Ich bin gekleidet, wie jemand, der es in jungen jahren beruflich bereits zu etwas gebracht hat; wenigstens denke ich, dass ich so gekleidet bin. Schwarzer wollmantel, figurbetont geschnitten, bügelfreies hemd mit manschettenknöpfen, braune breitcordhose, heller ledergürtel einer angebermarke, cognacfarbene herrenstiefel mit reißverschluss, designerbrille. Teilweise ist es fassade, teilweise nicht. Beruflich habe ich noch nichts erreicht, nur habe ich manchmal das bedürfnis, mich eben wie wichtig-tuende jura- oder bwl-studenten zu kleiden. Oft nach phasen, in welchen ich als mittelloser student getarnt, irgendwo zwischen germanistik und geologie, durch die gegend geschlurft bin. Ich kann mich nicht entscheiden. Das gilt für fast alle lebensbereiche. Mal kapuzenpullover und sneaker, dann wieder wie aus dem herrengeschäft für fünfzigjährige aufwärts. Naja. Klamotten lassen sich schnell wechseln. In anderen bereichen ist es schwieriger. Ich schweife schon wieder ab.
Also, ich sitze in der bahn, meine, schick angezogen zu sein und komme mir dabei wichtig vor. Ich bin aber; wie meistens; unrasiert (oben- und unterrum) und am kinn zeigen sich drei graue barthaare. Unverschämtheit. Ich bin doch noch keine fünfzig. Als die ersten grauen barthaare sprossen, habe ich diese noch ausgezupft. Mittlerweile ist es mir entweder egal oder es hat mal wieder die faulheit gesiegt. Vom gefühl her tippe ich auf letzteres. Kleiner trost: männer werden im alter attraktiver. Da glauben wir fest dran, also wir männer, und verweisen auf sean connery oder sky dumont. Hugh Heffner heranzuziehen, erscheint selbst uns zu plump.
Ich schreibe gerade mit einem hilton-kugelschreiber, den mir meine mutter vorhin geschenkt hat. Sie hat ihn im hotelzimmer mitgehen lassen, als sie und mein vater dort übernachtet haben. „im hilton?“ habe ich erstaunt gefragt. Und war nach nennung der übernachtungskosten noch erstaunter. Meine eltern hatten für zwei nächte im hilton in bonn weniger bezahlt als meine freundin und ich vor ca. 2 jahren in einem mittelmäßigen hotel in hamburg. So kann`s gehen. Also ich schreibe mit diesem kugelschreiber und halte den „hilton“-aufdruckt gut sichtbar in den gang des bahnwaggons. Vielleicht wird ja jemand neidisch oder nimmt mir die gespielte wichtigkeit ab. Ich denke dann manchmal, dass manche leute bestimmt denken, ich wäre ein junger theaterregisseur oder beim film. Also jung und erfolgreich. Natürlich alles totaler quatsch. Die leute denken wahrscheinlich eher: der kommt sich aber wichtig vor; tut so als wäre er beim theater oder fernsehen; ist halbwegs schick, aber nachlässig angezogen und hat nicht mal das geld für ein IC-ticket. Peinlich, peinlich. Naja, das sind so gedankenspiele, die manchmal noch viel weiter gehen. Manchmal spiele ich einen rüpelhaften handwerker oder depressiven intellektuellen oder einen betrunkenen übergewichtigen, aber davon erzähle ich ein andermal.
Draußen nieselt es. Alles grau in grau. Eine einzige waschküche. Ich bin müde und hoffe auf einen kaffee vom zugbegleitenden cathering-mitarbeiter. Von diesem ist aber nichts zu sehen. Gern bestelle ich bei diesen leuten keinen kaffee. Ich stelle mir immer vor, dass diese, oft etwas ungepflegten, sprachlich und optisch den wohl bildungsfernen milieus zuzuordnende (manche haben richtig schöne selbstgestochene knast-tatoos oder an stelle von fingernägeln maulwurfsschaufeln) in den kaffee spucken oder schlimmeres (wann endet dieser satz eigentlich mal? Auch ich habe schon die übersicht verloren; schiebe aber alles auf den lateinunterricht), um ihren arroganten, schnöseligen oder yuppiehaften kunden eins auszuwischen. Vielleicht hätte ich es ja sogar verdient. Dieses blöde status- oder milieu-denken: oberschicht, unterschicht, mittelschicht, seitenschicht, schicht in der schicht usw. hmm. Mir fällt nichts mehr ein. Naja, eigentlich fällt mir immer irgendein unsinn ein, aber ich bin müde und habe keine lust mehr, zu schreiben. Ach, übrigens: es ist weihnachten; aber aufgrund des milden, fast frühlingshaften wetters will sich keine weihnachtliche stimmung einstellen. Weihnachtsgeschichten mag ich eh nur in der vorweihnachtszeit und heute haben wir den ersten weihnachtsfeiertag. So ich höre jetzt auf zu schreiben. Morgen ist auch noch ein tag. Gleich erreichen wir wuppertal.

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